von Gast am Sa 30. Aug 2008, 18:23
Als professioneller Fotograf, der selbst schon seit 20 Jahren im Geschäft ist und seine Bilder über Agenturen verkauft, kann ich nur den Kopf schütteln über die Vorgehensweise von Getty Images.
Mein Stil mit Kunden umzugehen wäre das jedenfalls nicht...
Branchenintern ist es kein Geheimnis, dass Getty mit Schwierigkeiten kämpft, eigentlich wie alle Bildagenturen. Schaut mal den opertiven Gewinn an, dann werdet ihr sehen, dass der mittelständische Betrieb bei Euch um die Ecke am Ende mehr verdient als diese "Weltfirma", die Bildrechte verkauft.
Das Geschäft mit Fotos läuft seit etwa 10 Jahren außerordentlich schwergängig und ehrgeizige Renditeziele lassen sich damit schon längst nicht mehr erreichen.
Da liegt aus Firmensicht die Versuchung nah, auch über Abmahnungen bei unbedarften Privat- und kleinen Geschäftsleuten die Kassenlage nebenbei zu verbessern.
Ob das aufgeht, sei einmal dahingestellt. Ich meine nicht.
Andererseits: Bilderklau im Internet ist zu einem existenzbedrohenden Phänomen für Fotografen und Agenturen geworden. Der Privatmann überblickt das gar nicht. Ein Unrechtsbwußtsein scheint fächendeckend nicht mehr vorhanden zu sein im Zeitalter der digitalen Kopierbarkeit.
Content ist teuer, auch wenn es bei den Streifzügen durch das Internet nicht zu sehen ist. Fotos von Getty haben ihren Preis. Da muss der Fotograf eine Profi-Ausrüstung im Kostenbereich von 10000 bis 20000 EUR mitbringen, um überhaupt in dieser Liga mitspielen zu können. Die Termine/Produktionen sind kein Hobby, sondern der Fotograf muss davon leben. Und die meisten leben schlecht davon. Der Fotograf finanziert alles vor, die Agentur zahlt nichts. Beispiel: Eben mal zur Berlinale fahren, um Promis am roten Teppich zu fotografieren, kostet den Fotografen die Organisation der Akkreditierung, Fahrt dorthin, Hotelübernachtung, Verpflegung, drei Tage/Nächte Arbeit - alles nach dem Prinzip der Hoffnung, dass anschließend über die Agentur etwas Bares zurückkommt.
Wenn dann die Bilder als Ergebnis kostenlos im Internet kursieren, ist das extrem ärgerlich für allen Beteiligten. Als Fotograf steht man diesem Verhalten fast machtlos gegenüber und muss mit ansehen, wie man sprichwörtlich um die Früchte seiner Arbeit betrogen wird.
Den betroffenen "Bilderdieben", die sich jetzt mit knalligen Forderungen von Getty konfrontiert sehen, kann ich nur folgenden Tipp aus der Praxis geben. Ruhe bewahren, kein Schuldanerkenntnis unterschreiben, stattdessen freundlich Getty auffordern die Forderung doch vor einem deutschen Gericht ordentlich einzuklagen. Man könne die Höhe der Forderung nicht nachvollziehen.
Letzteres, also das Gerichtsverfahren, wird garantiert nicht eintreten, denn Verhandlungsbasis bei Urheberrechtsverletzungen ist vor deutschen Gerichten stets die MFM-Tabelle und nicht eine Mondforderung in Höhe mehrerer tausend EUR. MFM-Tabelle plus 100% Strafzuschlag ist "branchenüblich", mehr wird vor deutschen Gerichten durch die Urheber/Agentur nicht "herauszuholen" sein auch wenn sie jetzt noch so eine breite Brust machen. Oft werden dann vom Gericht noch die Kosten geteilt. Da würde sich die Agentur ins eigene Knie schießen. Das machen die nie. Außerdem möchte niemand Grundsatzurteile in diesem Bereich, denn das würde ja den Gestaltungsspielraum für die Zukunft einschränken.
Ihr müsst das so sehen: Eigenlich will die Agentur Euch gar nichts Böses. Der Endkunde ist nicht deren Zielgruppe, er verursucht durch sein argloses und unbedarftes Verhalten im Netz nur Ä??rger und Kosten. Diese Rechtsverstöße zu ahnden hält vom Kerngeschäft ab und das ist Content verkaufen und nicht Anwälte/Gerichte beschäftigen.
Jetzt ist denen nun mal der Kragen geplatzt und aus pädagogischen Gründen muss Strafe schon sein, je mehr Geld es kostet umso besser. Das spricht sich schließlich rum. Siehe dieses Forum. Normalerweise macht Getty sein Geschäft mit den Profis aus dem Mediensektor. Die bezahlen pauschal für den Content und die Benutzung. Da kommt sicher auch mal die eine oder andere Rechteverletzung vor. Das wird dann aber geräuschloser abgewickelt. Dafür ist der Markt zu hart umkämpft.
Für den Neubau der Webseite würde ich empfehlen die Fotos künftig selbst zu fertigen oder einfach die Fotografen direkt zu kontaktieren. In der Regel bekommt man dann auch seine Bilder zu recht günstigen Konditionen und der heimischen Zunft hat es noch geholfen. Leben und leben lassen sollte die Devise sein, nicht auf Kosten anderer seine virtuelle Welt zusammenzubasteln! Ihr wollt auch für Eure Arbeit Geld am Monatsende sehen. Fotografen auch. Sonst wären wir schließlich alle Missionare geworden.